Unser Antrag zu Gefahren durch Treibstoffschnellablass bei Verkehrsflugzeugen für die Bevölkerung in Baden-Württemberg beschäftigt sich mit Risiken und Schutzmaßnahmen durch die steigende Zahl der Flugbewegungen und dem Ablassen von Treibstoff während dem Flug.

Die hohe und weiter steigende Zahl an Flugbewegungen über Baden-Württemberg birgt auch eine Zunahme der Risiken, die der Flugverkehr für die Bevölkerung mit sich bringt. Insbesondere durch den geplanten Ausbau des Flughafens Zürich-Kloten ist bald von mehr als den heute rund 200.000 Flugbewegungen pro Jahr auszugehen, was zu einer Zunahme der Schadstoffbelastung im Bodenseegebiet führen könnte. Eine Variante der Schadstoffbelastung resultiert aus dem Treibstoffablass bei Flugzeugen in der Luft. Da Flugzeuge beim Landen ein Maximalgewicht nicht überschreiten dürfen, kann im Notfall ein sogenannter Treibstoffschnellablass oder Treibstoffnotablass angezeigt sein, um eine notwendige Gewichtsreduktion zu erreichen. Dies gilt insbesondere für Fernflüge, bei denen beim Landeanflug in der Regel mehr Kerosin an Bord ist als bei Kurz- oder Mittelstreckenflügen. Die mit dem Treibstoffablass einhergehende Schadstoffbelastung der Luft und des Bodens könnte zu Gesundheitsrisiken bei der Bevölkerung führen. Mit dem Antrag soll die Haltung der Landesregierung hierzu sowie zu möglichen Schutzmaßnahmen ermittelt werden.

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2016 Nr. 3-882/1887 (veröffentlicht am 9. Januar 2017) nimmt das Ministerium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Umweltministerium zu dem Antrag wie folgt Stellung:

 

 

Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen zu berichten,

1. welche Erkenntnisse sie hat, nach denen es seit dem Jahr 2005 bis heute zu einem sogenannten „Fuel Dumping“ oder Treibstoffschnellablass bei Flugzeugen im Landeanflug auf die Flughäfen Zürich-Kloten, Basel und St. Gallen kam;
2. wie oft dies gegebenenfalls über baden-württembergischem Gebiet stattfand;
3. wie häufig gegebenenfalls dabei die nach Richtlinien der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) festgeschriebene Mindestflughöhe von 6.000 Fuß (1.850 Metern) unterschritten wurde;

Die Fragen 1. bis 3. werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Beim Treibstoffschnellablass („Fuel Dumping“) handelt es sich um ein Notverfahren, um aus Gründen der Flugsicherheit eine sichere Kontrolle und Landung eines Flugzeugs zu ermöglichen. Gründe der Flugsicherheit sind z. B. Situationen, die eine schnellstmögliche Landung erforderlich machen, obwohl noch große Treibstoffmengen an Bord sind. Dies ist in der Regel unmittelbar nach dem Start der Fall. Die Flugsicherung weist dem Piloten ein in aller Regel dünn besiedeltes Gebiet zum Ablassen des Treibstoffs zu. Im zivilen Bereich haben nur vierstrahlige Langstreckenflugzeuge technische Möglichkeiten zum Ablassen des Treibstoffs.

Nach einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (BT-Drucksache 18/9917) gab es im Zeitraum von 2010 bis 2016 in Deutschland 121 Fälle, in denen zivile Flugzeuge Treibstoff abgelassen haben. Nur ein Fall am 5. September 2015 mit der Angabe des betroffenen Gebiets „Kempten-Basel“ und einer abgelassenen Treibstoffmenge von 46 t hat einen Bezug zu den in der Frage genannten Schweizer Flughäfen. Aus den Angaben der Bundesregierung ergibt sich nicht, wo exakt und aus welcher Höhe der Treibstoff abgelassen wurde. Nach einer Publikation des Schweizer Bundesamts für Zivilluftfahrt von 2008 gab es von 1990 bis 2007 im schweizerischen Luftraum im Schnitt fünf Fälle von Fuel Dumping pro Jahr. Tendenz abnehmend.

 

4. ob sie die festgeschriebene Mindestflughöhe von 1.850 Metern für einen Treibstoffschnellablass für ausreichend hält;

Die Bundesregierung weist in ihrer genannten Antwort zur Kleinen Anfrage darauf hin, dass beim Fuel Dumping  das  Kerosin  mit  Hochleistungspumpen in kleinste Tröpfchen verwirbelt und von den Turbulenzen hinter dem Flugzeug zu einem feinen Nebel verteilt wird. Der weitaus größte Teil dieses Nebels verdunste und verbleibe in der Atmosphäre, bis er von der Sonne in Wasser und Kohlendioxid umgewandelt werde. Bei Einhaltung der Mindestflughöhe, Windstille und 15 Grad Celsius Bodentemperatur erreichten nur ca. 8 Prozent der abgelassenen Treibstoffmenge den Erdboden. Damit lasse sich eine theoretische Bodenbelastung von 0,02 Gramm Kerosin pro Quadratmeter ermitteln.

Der Landesregierung liegen keine anderen Erkenntnisse vor. Sie hält das Verfahren des Fuel Dumping und die dabei einzuhaltende Mindestflughöhe dann für vertretbar, wenn es in sehr seltenen Einzelfällen aus Gründen der Sicherheit des Luftverkehrs zwingend erforderlich ist.

 

5. ob und wie sie Messungen über die Kerosin-Belastung der Luft und des Bodens im Einzugsbereich der genannten Flughäfen auf baden-württembergischer Seite vornimmt bzw. vornehmen lässt;

Angesichts der sehr geringen Kerosin-Belastung in der Luft und am Boden im Fall eines Fuel Dumping und der sehr seltenen Anwendung dieses Verfahrens sieht die Landesregierung keinen Anlass, entsprechende Messungen vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen.

 

6. ob und wie sie die Bevölkerung in Baden-Württemberg, die im Einzugsbereich der genannten Flughäfen wohnt, gegebenenfalls über eine Kerosin-Kontamination der Luft und des Bodens informiert;

Die Flugsicherung informiert die Landesregierung nicht, wenn Flugzeuge in Notfällen Treibstoff ablassen. Die Bundesregierung sieht ausweislich der genannten Antwort auf die Kleine Anfrage durch dieses Verfahren keine Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung.

 

7. inwiefern sie davon ausgeht, dass es durch den geplanten Ausbau des Flughafens Zürich und einer damit einhergehenden Erhöhung der Start- und Landebewegungen zu einer Erhöhung der Schadstoffbelastung und damit zu einer Erhöhung der Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung kommen wird;

Durch die Zunahme von Flugbewegungen kommt es grundsätzlich auch zu einer Zunahme der damit verbundenen Emissionen von Luftschadstoffen. Andererseits stoßen künftig verstärkt eingesetzte modernere Flugzeuge immer weniger Schadstoffe aus. Wie sich bei diesen gegenläufigen Entwicklungen die von den Flugzeugen ausgehende Schadstoffbelastung in der Summe darstellt, lässt sich für einen längeren Zeitraum nicht sicher prognostizieren. Mit einer Erhöhung der Gesundheitsrisiken durch die Schadstoffe in der Umgebungsluft und insbesondere der Überschreitung von Grenzwerten zum Schutz der menschlichen Gesundheit ist nicht zu rechnen.

 

8. inwiefern sie mit den Betreibern des Flughafens Zürich und der schweizerischen Flugsicherungsbehörde Skyguide im Kontakt steht, um negative Auswirkungen der steigenden Flughafen-Kapazitäten für die Bevölkerung in Baden-Württemberg, insbesondere in Bezug auf die Schadstoffbelastung, zu minimieren;

Nach dem Grundgesetz und dem Luftverkehrsgesetz liegt die Zuständigkeit für die Flugsicherung über deutschem Hoheitsgebiet ausschließlich beim Bund. Er nimmt die Aufgabe unter der Leitung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur mit dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung und der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH wahr. Deshalb liegt auch die politische Verantwortung für alle Fragen, die die An- und Abflüge zum und vom Flughafen Zürich über deutsches Hoheitsgebiet betreffen, ausschließlich beim Bund. Die Zuständigkeit umfasst auch die Gespräche und Vereinbarungen mit den entsprechenden Schweizer Stellen.

Die Landesregierung setzt sich seit Jahren beim Bund für eine Reduzierung der vom Flughafen Zürich ausgehenden Flugverkehrsbelastung in Südbaden ein. Soweit Schweizer Stellen die Landesregierung etwa bei Anhörungen zu vorgesehenen Ausbaumaßnahmen am Flughafen Zürich beteiligen, trägt sie ihre Forderungen auch direkt gegenüber der Schweiz vor. Das gilt auch für Gespräche, die die Landesregierung mit Verantwortlichen in der Schweiz führt.

 

9. ob es von ihrer Seite Anstrengungen gibt, die im Rahmen der nordwestlichen Standard-Ankunftsflugroute (Standard Terminal Arrival Route) auf den Flughafen Zürich ausgewiesene, nahe an der Grenze zu Baden-Württemberg verlaufende Warteschleife RILAX ONE ALPHA (RILAX 1A) nach Süden zu verschieben, um potenzielle Belastungen für die Umwelt auf baden-württembergischer Seite zu minimieren;

Die Landesregierung bekennt sich zu den Inhalten der Stuttgarter Erklärung vom 25. November 2009. Eine Forderung dieser Erklärung ist die Aufhebung des Warteraums RILAX. Der Bund, der für die Einrichtung und Verlegung eines solchen Warteraums zuständig ist, hat diese Forderung bisher stets abgelehnt.

 

10. ob sie Erkenntnisse darüber hat, wonach der als Ergebnis einer einjährigen Testphase um 95 Prozent verringerte Verbleib von Flugzeugen in Warteschleifen des Flughafens Zürich mit einem häufigeren Treibstoffschnellablass verbunden ist.

Die Landesregierung sieht keinen Zusammenhang zwischen dem verringerten Verbleib von Flugzeugen in Warteschleifen des Flughafens Zürich und evtl. Treibstoffschnellablässen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 1. bis 3. verwiesen.

 

 

Die Beantwortung unseres Antrags erfolgte durch den Minister für Verkehr Winfried Hermann (GRÜNE).
Der Antrag wurde von Gögel, Baron, Stauch, Wolle und Sänze gestellt.

 

PDF-Datei Drucksache 16/1147: Gefahren durch Treibstoffschnellablass bei Flugzeugen